Berlin Sounds: Niche
Wie hört sich ein Haus an, wenn es „atmet“? Wir haben uns von den drei NICHE-Gründerinnen – Nele Heinevetter, Katharina Beckmann und Stefanie Gerke – durch Berlin führen lassen.
CONTRIBUTORS |
Photos: Clemens Porikys |
Ihr führt architektur- und kunstinteressierte Berlin-Besucher und Berliner durch die Stadt, in maßgeschneiderten Touren, nach Interesse des Gastes. Wir interessieren uns für Sound. Wohin bringt ihr uns?
Wir versuchen immer, eine interessante Mischung hinzubekommen. Deswegen stellen wir euch ein Berliner Künstlerkollektiv vor, besuchen eine (Kunst-)Bar im Keller einer Institution und zeigen eine versteckte Soundarbeit in der Fassade einer preisgekrönten Baulückenfüllung. In der Galerie Dittrich & Schlechtriem hinter der Volksbühne hat das Künstlerkollektiv Das Numen eine Installation aus riesigen waagerechten Orgelpfeifen aufgebaut, die Windmessungen von verschiedenen internationalen Wetterstationen aufnehmen und mittels einer Software in Sound umwandeln. Die vier Künstler arbeiten oft mit Naturbedingungen, die sie in ästhetische Erfahrungen umwandeln.
In den KW residiert seit ein paar Wochen “Bobs Pogo Bar”. Sie knüpft an ein Format aus dem Kunstverein Amsterdam an und lässt eine Bar wiederaufleben, die hier in den Kunstwerken in den 90er Jahren schon mal bestand. Der Künstler und Designer Robert Wilhite hat sie gestaltet und die Bar ist nicht nur optisch ein Kunstwerk, sondern auch inhaltlich. Jeden Donnerstag laden die Kuratorinnen Maurin Dietrich und Cathrin Mayer andere KünstlerInnen und Kreative ein, den Abend mit Performances und Musik zu gestalten. Wir freuen uns auf jedes Event, da sie viele junge und in Berlin noch wenig bekannte Gäste vorstellen. Es ist ein schönes Format, eine Plattform, ein Rahmen für ganz unterschiedliche Begegnungen.
In der Brunnenstrasse 9 findet sich das tolle Haus von Brandlhuber+, in dessen Bau der Künstler Mark Bain ein „Bug“ eingebaut hat. Schon während des Bauprozesses hat er Sensoren in den Beton eingelassen, die alle möglichen Bewegungen und Geräusche des Baus aufnehmen. Durch einen Kopfhöreranschluss, eingelassen in die Fassade, können alle PassantInnen mit eigenem Kopfhörer dem Gebäude beim Existieren zuhören.
Immer wieder mal kommt es vor, dass sich auf unseren Touren ungeplant interessante Begegnungen ergeben, die wir dann einbauen. In diesem Fall lief uns direkt vor dieser Installation zufällig Clara Meister in die Arme. Clara arbeitet kuratorisch mit Sound in der Kunst, hat darüber promoviert und bringt jetzt eine Publikation über ihr Projekt Soundfair heraus, das sich immer wieder neu mit der Frage beschäftigt hat, wie man Musik und Sound im Kunstkontext ausstellen kann.
Ihr seid alle bereits seit Jahren in Berlin. Hat sich Berlin in dieser Zeit verändert?
Sehr. Allein die Brunnenstraße: Die Straße war beispielsweise 2009, als wir Niche gegründet haben, noch unerschlossen und voller kleiner Projekträume und Produzentengalerien. Es gab noch einige Baulücken, die immer den Anschein von unbegrenzten Möglichkeiten hatten. Die Kunstszene ist erwachsener geworden, die Baulücken schließen sich. Wir wachsen mit und gehören nicht zu denen, die sagen, dass früher alles besser war. Es sind auch spannende neue Dinge entstanden, wie eben das besagte Gebäude. Trotzdem expandieren wir jetzt – so, wie wir Berlin erschlossen haben, möchten wir auch New York entdecken. Wir sind gerade dabei, den Launch von niche Art & Architecture Tours New York vorzubereiten. Führen wird niche New York unsere Freundin und ehemalige Mitarbeiterin Sandra Teitge. Sandra kommt aus Berlin, aber arbeitet mittlerweile als freie Kuratorin in New York. Sie ist wahnsinnig gut vernetzt und hat unter anderem das Residency-Programm FD13 in Minnesota ins Leben gerufen. Der Fokus der von ihr organisierten Ausstellungen und Veranstaltungen liegt auf Performances. Daher wird der Schwerpunkt der Kunstführungen in New York auch auf performativen Formaten liegen, viel Sound wird sicherlich auch dabei sein!
Berlin ist eine weltoffene, vibrierende Stadt und zieht Musiker sowie Künstler seit jeher an. Was denkt ihr, wird dieser Trend anhalten?
Den Trend gab es ja schon in den Goldenen Zwanzigern, und so richtig interessant wurde es dann wieder mit der Punkszene in den 80er Jahren in Westberlin und schließlich mit der Technoszene und der neu aufkommenden Kunstszene im wiedervereinigten Berlin. Die Politik hat dabei schon immer eine große Rolle gespielt, als etwa mit der Abschaffung der Wehrpflicht für Westberlin eine ganze Menge interessanter Persönlichkeiten in die umzingelte Stadt gelockt wurden. Berlins Kreativszene lebt von dem Mix aus guten Lebenskonditionen und interessanten Leuten: Die Leute machen die Stadt aus, aber natürlich auch die Bedingungen, unter denen sie hier leben und wirken können. Nicht zuletzt die vielen günstigen und interessanten Räume haben die Etablierung der spannenden Kreativszene ja erst ermöglicht. Sowohl Räumlichkeiten als auch Macher(-innen) stellen wir seit nunmehr acht Jahren auf unseren Führungen vor. Wir sind dadurch sehr vernetzt und bekommen viele Veränderungen mit. Damit die Stadtentwicklung nicht zu einer echten Gefahr für die Nischen wird, sollte die Stadt unbedingt vermeiden, ihre Liegenschaften an die Höchstbietenden zu verkaufen und stattdessen nachhaltige und passende Ideen fördern und mit der Szene zusammenarbeiten. Wir sind keine Trendforscher, aber wenn die Politik mitspielt und das Potenzial der Künste für die Stadt anerkannt wird und bleibt, sollte sich der Trend so schnell nicht ändern. Vielleicht wird er sich durch Londons Brexit sogar noch verstärken.